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Thomas Hartwig
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Die
"Neumann-Konstante"
Wahrheit
oder Märchen?
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.
Eigentlich ist dieses Thema
für uns völlig ohne Bedeutung, da es keinen Einfluss auf die
festgelegte Funktion der RIAA-Kurve unserer oder anderer Phonovorstufen
hat.
Da es aber einige wenige
gibt, die behaupten, die 1954 festgelegte RIAA-Kurve sei ohne die sogenannte
"Neumann-Konstante" falsch und benötige daher zu den drei vorhandenen
Zeitkonstanten unbedingt noch eine vierte, müssen wir uns mal kurz
diesem Thema widmen.
Die Bezeichnung "Neumann-Konstante",
oder "Neumann-Pole" entstand erst Mitte der 90er Jahre. Dieser Begriff,
der den Audiophilen dieser Welt als urbaner Mythos beigebracht wurde, war
den Konstrukteuren der Schneidemaschinen bis dahin unbekannt, auch bei
der Fa. Neumann ist keine Erklärung zu finden
(siehe:neumann.com)
Deshalb findet man bei Recherchen
nach Dokumentationen zu diesem Thema auch fast gar nichts, jedoch viele
Berichte, die oft Wort für Wort kopiert und wahrscheinlich von ganz
wenigen - oder nur von einem? (Allen Wright) -
in die Welt gesetzt wurden.
Dabei handelt es sich hauptsächlich
um aufgestellte Behauptungen. Eine nach den Regeln der wissenschaftlichen
Vorgehensweise zur Erklärung der "Neumann-Konstante" ist dabei kaum
zu finden.
Um
die Wahrheit zu erfahren, einfach mal die Suchbegriffe wie "Neumann
pole", oder "Neumann 4th pole" in eine Suchmaschine eingeben,
oder die folgenden Seiten untersuchen:
http://www.pspatialaudio.com/neumann_pole.htm
oder:
https://www.stereophile.com/features/cut_and_thrust_riaa_lp_equalization/index.html
https://www.stereophile.com/content/cut-and-thrust-riaa-lp-equalization-page-2
https://www.stereophile.com/content/cut-and-thrust-riaa-lp-equalization-page-3
https://www.stereophile.com/content/cut-and-thrust-riaa-lp-equalization-neumann-4th-pole-sic
Auf
diesen Seiten wird schnell klar, dass man sich dort eng an die wissenschaftliche
Vorgehensweise halten möchte.
(Bei
englischen Seiten kann der jeweilige Link: "Diese Seite übersetzen"
verwendet werden, oder mit Hilfe der Seite babelfish.de).
Was behaupten
die Befürworter dieser sogenannten "Neumann-Konstante"?
1. Behauptung: Bei
der Aufnahme werde bei den hauptsächlich eingesetzten Neumann Schneidemaschinen
der standardisierten 3-poligen RIAA-Kurve
(75µs, 318µs, 3180µs) noch ein weiterer Pol mit 3,18µs
(50kHz) hinzugefügt, der die Höhenanhebung bei 50kHz stoppt und
somit ebenfalls im Widergabefilter als Spiegelbild eingefügt werden
müsse, damit dort durch das Stoppen der Höhenabsenkung bei 50kHz
der Klang wieder stimme.
2. Behauptung: Das
ursprüngliche RIAA-Filter sei de facto falsch, wenn dieses
Filter nicht mit einbezogen würde. Nur die zusätzliche Konstante
von 3,18µs (50kHz) ergäbe wieder ein korrektes RIAA-Filter.
3. Behauptung: Gegenargumente,
die darauf hinweisen, dass durch die 50kHz-Begrenzug der Hörbereich
bis 20kHz gar nicht oder nur um zehntel dB beeinflusst werde, werden mit
der Behauptung zurück gewiesen, dass die Phase schon weit früher
so verschoben werde, dass ohne die Neumann-Konstante der Klang verfälscht
würde.
4. Behauptung: Sogar
Schallplatten, die nicht mit der korrekten Zeitkonstante von 3,18µs
(50kHz) aufgenommen wurden, würden mit dieser zusätzlichen "Neumann-Konstante"
auf jeden Fall auch besser klingen !?
Die folgende Skizze zeigt
die aufgestellte Theorie der sogenannten Neumann-Konstante
Kurve 1 zeigt nur
das 75µs-Filter (2122Hz, +3dB) für die Höhenanhebung der
Aufnahmeelektronik. Bei 20kHz sind +20dB erreicht. Wie zu sehen ist, würde
die Anhebung tatsächlich mit 6dB/Okt immer weiter ansteigen. Das hätte
zur Folge, dass der zuständige Operationsverstärker irgendwann
anfangen würde zu schwingen, bzw. das HF-Rauschen so hoch verstärken
würde, dass der Pegel allein deswegen schon in die Begrenzung gehen
würde. Außerdem wäre der Schneidstichel überlastet
und könnte Schaden nehmen, oder hätte zumindest Fehlfunktionen.
Folglich sind in den Aufnahme-Equalisern
Begrenzungsfilter eingebaut, die die Höhenanhebung stoppen sollen.
Und darum geht es bei der
sogenannten "Neumann-Konstante".
Die Begrenzungsfilter stoppen
in der Regel mit einem Eckpunkt von 50kHz die Höhenanhebung. Wenn
die Kurve der Begrenzungsfilter allerdings so aussehen würde wie die
mit 1a gezeigte (6dB/Oct; -3dB/50kHz) , dann müsste man
bei der Wiedergabe ein spiegelbildliches Filter - wie Kurve 2a zeigt
- einfügen, indem man die Höhenabsenkung spiegelbildlich bei
50kHz stoppt. Denn die Kurve Nr 1a beginnt schon im Hörbereich bei
einigen zehntel dB knapp unter 10kHz abzusenken. Es ist durchaus vorstellbar,
dass man das hören könnte. So, oder ähnlich, erklären
es auch die Befürworter der "Neumann-Konstante". |
Es entstehen
jetzt unweigerlich Fragen:
1. Hatten die Personen
bei der Festlegung der RIAA-Kurve etwa keine Ahnung davon, dass alle Schneidemaschinen,
allein schon zum Schutz der Schneidstichel, schon immer ein Begrenzungsfilter
der Höhen hatten?
2. Haben die meisten
Hersteller von Phonoentzerrern jahrzehntelang falsche RIAA-Filter gefertigt,
weil sie nichts von der Neumann-Konstante wussten?
Das
ist zum Glück nicht so, denn die oben gezeigte Aufnahme-Kurve (1a)
entspricht nicht der Wirklichkeit!
Wie man sehen kann, beginnt
das 50kHz Filter bereits im Hörbereich. Das ist aber nur bei flachen
Filtern mit einer abfallenden Flanke von 6dB/Okt möglich. Die Tatsachen
zeigen etwas ganz anderes:
Die
Fakten
Tatsache ist, dass es in
den Aufnahme-Equalisern ein Begrenzugsfilter geben muss. Die Fakten
liegen aber anders, als wie die oben beschriebenen Behauptungen.
Wir sind im Besitz einiger
Equaliser-Schaltungen der bekanntesten Neumann Schneidemaschinen, auch
aus verschiedenen Jahren. In keiner dieser Schaltungen ist eine sogenannte
Neumann-Konstante mit einer definierten vierten Zeitkonstante zu erkennen.
Eine weit verbreitete Schaltung zeigt die nächste Skizze.
|
< Korrekturfilter
eines bekannten Neumann Recording-Equalisers
Im Eingang befinden sich
die Zeitglieder für die Tiefenabsenkung unterhalb 500Hz, die bei 50Hz
gestoppt wird. Die beiden Widerstände um den Kondensator 100n bestimmen
die Anhebung ab 2.122 Hz. Der 22 Ohm Widerstand sorgt dafür, dass
der Operationsverstärker nicht bis zur theoretischen Unendlichkeit
anhebt. Der Wert bewirkt ein Stoppen der Anhebung mit einem Eckpunkt bei
72kHz, also keine Auswirkung auf den Hörbereich. Dieses Filter dient
dem alleinigen Schutz und der Stabilität des OP-Amps.
Im Ausgang folgt ein weiteres
Filter, dass dem Schneidstichelschutz gewidmet ist. Es genügt nämlich
nicht, die Höhenanhebung nur zu stoppen, sondern die hohen Frequenzen
müssen auch wieder deutlich abgesenkt werden, denn das mitverstärkte
HF-Rauschen auf so hohem Pegel könnte mindestens zu Fehlfunktionen
oder Verschlechterung der Aufnahmequalität führen. |
Als Schneidstichelschutz wurde
hauptsächlich ein LPF mit einer Zeitkonstante von 3,18µs (50kHz)
eingesetzt. Jedoch mit einem effektiveren Filter als die "Phantasie-Neumann-Konstante"
von 6dB/Okt. Dazu befindet sich am Ausgang des Recording-Equalisers ein
zusätzliches Butterworth Filter 2.Ordnung (12dB/Okt) mit einer Güte
von 0,7. Das ergibt bei einer Eckfrequenz von 50KHz eine Absenkung von
0,1dB!
bei 20kHz. Man halte hier mal inne: 0,1dB Pegelabfall bei 20kHz.
Die Frequenzgangfehler eines RIAA-Filters von 0,5dB Abweichung gilt als
noch nicht wahrnehmbar.
Die nächste Grafik weiter unten scheint auf den ersten
Blick etwas unüberschaubar. Bei einzelner Betrachtung der Kurven wird
aber vieles klar.
Kurve 1. Das ist
der Verlauf der 75µs Zeitkonstante. Eine Höhenanhebung ab 2.122Hz
(+3dB-Punkt) die bei 20kHz +20dB erreicht.
Kurve 2. Das ist
der theoretische Verlauf, wenn die Anhebung unbegrenzt weiterlaufen würde.
Kurve 3. Das ist
der rein elektrische Verlauf des oben erwähnten 72kHz-Filters zum
Schutz de OPs.
Kurve 5. Sieht etwas
merkwürdig aus. Das ist der Verlauf des Frequenzganges des eingesetzten
OPs, ohne Filter. Sie ergibt sich aus seiner eigenen Bandbreitenbegrenzug,
die damals bei den OPs nicht sehr hoch war, und dessen Frequenzkompensation.
Kurve 6. Zeigt die
resultierende Summe des Butterworthfilters 2. Ordnung (Kurve nicht eingezeichnet)
und der Filter 3 und 5.
Kurve 4. So, oder
so ähnlich verläuft angeblich die Kurve der Befürworter
der Neumann-Konstante, die gemäß deren Behauptungen korrigiert
werden müsse, da sie in den Hörbereich greift.
Ein definitives Kurrekturfilter
müsste jedoch das Spiegelbild von Kurve 6 sein. Die sogenannte "Nemann-Konstante"
(Kurve 4) hat überhaupt keine Ähnlichkeit damit und würde
sogar die Höhen unzulässig anheben, weshalb einige verständlicherweise
eine Klangveränderung wahrnehmen.
Aber alles, was jenseits
der 20kHz-Zone geschieht, gelangt nicht den Hörbereich und muss daher
weder beachtet noch korrigiert werden. Filter anderer Schneidemaschinenhersteller
sehen ähnlich aus. Aber die Konstrukteure der Elektronik haben in
der Regel peinlich genau darauf geachtet, dass alle erforderlichen Korrekturen
außerhalb der Beeinflussung des Hörbereiches bleiben, obwohl
sie sich manchmal sehr nah an die Grenze gewagt haben, denn manche Butterworthfilter
2.Ordnung wurden auf 33kHz ausgelegt (-0,3dB bei 20kHz). Somit können
diese Kurven aussehen wie sie wollen, man muss ihne keine Beachtung schenken.
Das Argument der Phasenverschiebung kommt weiter unten.
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Fazit
Eine
nachträglich implementierte "Neumann-Konstante" mit den in die Welt
gesetzten Phantasiewerten hebt auf jeden Fall die Höhen ab 10Khz ein
ganz klein wenig unzulässig an, da es in der Regel nur als 6dB/Okt
ausgelegt wird (Spiegelbild von Kurve 4), was natürlich die Wahrnehmung
verändern kann. Befürworter behaupten sogar gleichzeitig, dass
dieses 50kHz Wiedergabe-Filter sogar positiv auf Platten wirken soll, die
gar nicht mit exakt diesem 50kHz Filter aufgenommen wurden. Diese Behauptung
soll wohl das Argument entkräftigen, dass die 50kHz Filter der Schneidemaschinen
ohnehin verschiedene und keine genau definierten Zeitkonstanten aufweisen.
Die
"Neumann-Konstante" (oder vierter Neumann-Pol genannt) bewirkt also keine
komplementäre Null, da dieser Pol nicht als saubere Zeitkonstante
definiert wird, sondern auch durch den dominanten Pol der Operationsverstärkerkompensation
(µA-709, später LF356) bestimmt wird (Siehe Vergleich Kurve
4 mit Kurve 6). Somit ist der Begriff "Konstante" oder "Pol" sehr gewagt.
Daher
kann jede Einbeziehung einer weiteren Null in die RIAA Wiedergabekurve
die Gesamtfrequenzantwort nur verschlechtern !! |
Es war einmal die "böse
Phase"
Das
Argument des Phasenfehlers ist oft der letzte Ausweg, wenn alle anderen
Argumente für die Neumann-Konstante scheitern. Er soll unsägliche
Verwüstung anrichten. So wird in Bezug auf die sogenannte "Neumann-Konstante"
gern argumentiert, weil die 50kHz (6dB/Okt) Aufnahme-Filter phasenmäßig
bereits im Hörbereich einsetzen und deshalb den Klang beeinflussen.
Der Phasengang der Neumann-Maschinen
wurde ebenfalls dokumentiert und ist auch anhand der alten Schaltpläne
zu simulieren. Die Gruppenlaufzeit (aussagekräftiger als der
Phasenwinkel) des Filters beträgt bei 20kHz 700ns!! Das entspricht
einer Verzögerung des Schalls in der Luft von 0,2mm - was etwa 3000-mal
kleiner ist als die von Blauert und Laws (1978) festgelegte Ansprechschwelle
für Gruppenverzögerung bei hohen Frequenzen. |
Angesichts
der Tatsachen klingt es schon absurd, die Theorie dieser "Neumann-Konstante"
ungeprüft zu übernehmen, so als ob dem Verstand etwas nicht zugänglich
ist.
Somit betrachten wir den angeblich Nutzen des
zusätzlichen Neumann-Poles in der RIAA-Entzerrung einer Vorstufe als
reinen Mythos.
Man könnte glauben,
dass einige Befürworter damit sagen möchten: "Wir kennen was,
was andere nicht kennen".
Wir sind der Meinung, dass
die Fa. Neumann sowie auch andere immer in der Lage waren, durch ihre Konstruktionen
den Hörbereich bewusst nicht zu beeinflussen, um bestehende RIAA-Richtlinien
nicht zu verändern.
Daher
halten wir diese speziell für die Aufnahme eingeführte Maßnahme
bei Wiedergabe nicht nur für absolut überflüssig - ja sogar
für verfälschend - und wenden sie deshalb auch nicht an, obwohl
dieses Filter nur sehr wenige zusätzliche Bauteile erfordern würde
und es sogar zuschaltbar gemacht werden könnte.
Übrigens:
Wer mit Hilfe der o.g. Vorschläge
recherchiert, findet vielleicht den Urheber heraus, der den bekannten Namen
"Neumann" benutzt, um diese Glaubenslehre als seriös erscheinen zu
lassen.
Auch kann man selbst herausfinden,
weshalb einige Hersteller von Phonovorstufen (die übrigens schon wieder
weniger geworden sind) diese Lehren anscheinend ungeprüft und kritiklos
übernommen haben.
Unsere Quellen:
Schaltpläne und Diagramme:
Neumann Recording Equaliser SE66, Schneidemaschine SAB74B, uvm.
Siehe auch weitere wissenschaftlich
gut fundierte Beweise in der Literatur, z.B. von Douglas Self (Small Signal
Audio-Design) ua.
Somit
ist die 1954 festgelegte 3-polige RIAA-Kurve bis heute die gültige
Richtlinie
Sie
besteht aus 3 Zeitkonstanten - eine vierte gibt es de facto nicht
!!
Daher
ist es nicht richtig, die "Neumann-Konstante"
als
technisch erforderlich zu bezeichnen
Klanglichen
Wahrnehmungen darf man selbstverständlich nicht widersprechen,
da
die Wahrnehmung auch vom Bewustsein verändert werden kann.
Das
weiß die audiophile Welt nur zu gut.
Einen
Physiker kann man betrügen, aber nicht die Physik
|
Wer mag, kann es sich mal
antun, einen vorhandenen RIAA-Entzerrer um eine sogenannte "Neumann-Konstante"
zu erweitern.
Hier
ein Schaltungsvorschlag
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